Texte zum Nachdenken
Bibelstellen
Die Bibel ist voll von Geschichten, in denen Menschen von Gott gerufen werden – ganz unterschiedlich, oft überraschend, manchmal zögerlich, aber immer mit einer tiefen Bedeutung für ihr Leben. Diese Berufungserzählungen zeigen: Gott spricht Menschen an, damals wie heute, und traut ihnen Großes zu.
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.
(Markus 1,16-20)
Jesus ging wieder hinaus an den See. Da kamen Scharen von Menschen zu ihm und er lehrte sie. Als er weiterging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Da stand Levi auf und folgte ihm nach. Und als Jesus in dessen Haus zu Tisch war, da waren viele Zöllner und Sünder zusammen mit ihm und seinen Jüngern zu Tisch; es waren nämlich viele, die ihm nachfolgten. Als die Schriftgelehrten der Pharisäer sahen, dass er mit Zöllnern und Sündern aß, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann er zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? Jesus hörte es und sagte zu ihnen: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
(Markus 2,13-17)
Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!
Markus 10,17-21
Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben. Viele Erste werden Letzte sein und die Letzten Erste.
Markus 10,28-31
Als sie auf dem Weg weiterzogen, sagte ein Mann zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben! Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes! Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind. Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Lukas 9,57-62
Das Wort des HERRN erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt. Da sagte ich: Ach, Herr und GOTT, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung. Aber der HERR erwiderte mir: Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des HERRN. Dann streckte der HERR seine Hand aus, berührte meinen Mund und sagte zu mir: Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund.
Jeremia 1,4-9
Gott, mein Gott bist du, dich suche ich, es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Fleisch wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, zu sehen deine Macht und Herrlichkeit. Denn deine Huld ist besser als das Leben. Meine Lippen werden dich rühmen. So preise ich dich in meinem Leben, in deinem Namen erhebe ich meine Hände. Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele, mein Mund lobt dich mit jubelnden Lippen. Ich gedenke deiner auf meinem Lager und sinne über dich nach, wenn ich wache. Ja, du wurdest meine Hilfe, ich juble im Schatten deiner Flügel. Meine Seele hängt an dir, fest hält mich deine Rechte.
Psalm 63,2-9
Impulse
Impulse zum Thema Berufung bieten kurze Anregungen, die helfen können, über die eigene Lebensgestaltung und den möglichen Ruf Gottes nachzudenken. Sie greifen unterschiedliche Perspektiven auf und laden dazu ein, sich mit dem Thema persönlich und geistlich auseinanderzusetzen
Dann habe ich durch Lesen und Nachdenken Gott gefunden. Aber als ich betete, habe ich geglaubt, dass Gott mich fand und dass er lebendige Wahrheit ist und dass man ihn lieben kann, wie man eine Person liebt.
(Madeleine Delbrêl: Ville marxiste, terre de mission, Edition du Cerf, Paris 1957, S. 252f.)
Der Weg beginnt spannend zu werden, wenn du dich nicht mit halben Sachen zufriedengibst. Selbstverständlich hat jede Lebensform ihr ”Mehr”, ihren “radikaleren Vollzug und Ausdruck” von Grundbotschaften Gottes. Wenn du allerdings fragst, wie du Jesus in seiner Botschaft und Lebensform, in seiner Existenzweise radikaler nachfolgen kannst, dann betrachte immer wieder die Erzählungen der Evangelien. Wie Jesus gelebt hat, ist dann keinesfalls mehr “gleich-gültig” für deine Wahl. Die Liebe drängt dich, wie er zu leben, und verbindet dich so tiefer mit ihm. Es kann sein, dass der Herr dir nahelegt, ihm zu folgen, so wie du bist, mit allem, was dir Freude macht, mit deinen Fähigkeiten und deinem Besitz. Es kann aber auch sein, dass er dich umwirbt, alles zurückzulassen und ihn aus innerer Freiheit über dein Leben verfügen zu lassen, in Armut, eheloser Keuschheit und Gehorsam. Was lösen diese Worte bei dir aus?
(Josef Maureder: Wir kommen, wohin wir schauen. Berufung leben heute, Tyrolia, Innsbruck 2004, S. 59.)
Herr,
dein Bild von mir –
lass es mich oft anschauen
deine Pläne mit mir –
lass sie mich entdecken
deinen Weg mit mir –
hilf, dass ich ihn in Treue gehe
deine Aufgaben für mich
will ich froh entgegennehmen
deinen Worten und deiner Verheißung
vertraue ich mich an
deine Sorge um mich
schenkt mir Kraft und Mut
dein Segen
eile mir voraus und begleite mich
dir will ich ganz gehören
Amen
(Klemens Nodewald: Das Herz öffnen. Gedanken und Gebete zu Berufung und Sendung der Christen, Echter-Verlag, Würzburg 2008, S. 12)
Gott
lass mich aufmerksam sein
wenn du im Innern bei mir anklopfst
lass mich spüren
wo du mich bewegen willst
Hilf mir
mich von Liebgewordenem zu verabschieden
deinem Willen den Vorrang einzuräumen
Mühe nicht zu scheuen
deiner Hilfe zu vertrauen
Lehre mich
zwischen Wichtigem und Unwichtigem
zu unterscheiden
Lebenszeit nicht nutzlos zu vergeuden
Nimm mir die Angst
zu kurz zu kommen
durch ein konsequentes Ja zu dir
Du, Herr, kannst mir die nötige Kraft
zur Nachfolge geben
dir will ich mich anvertrauen
(Klemens Nodewald: Das Herz öffnen. Gedanken und Gebete zu Berufung und Sendung der Christen, Echter-Verlag, Würzburg 2008, S. 67)
Im Evangelium gibt es viele „Räte“. Dennoch haben sich drei als die zentralen herausgebildet, weil sie die wesentlichen Grundcharakteristika der Lebensweise Jesu sind: Armut, ehelose Keuschheit und Gehorsam.
Ausgerichtet am Leben Jesu ist die Lebensform der Gelübde Ausdruck der Grundhaltung des Glaubens, des Vertrauens: Befreiung von krampfhafter Lebenssicherung wird möglich.
„Von hier aus wird deutlich, dass das, was die evangelischen Räte meinen, innere Momente eines jeglichen christlichen Glaubens, Bausteine einer Lebenskultur aus dem Evangelium sind.“ (Paul Michael Zulehner)
Manche lockt Gott, Christus nachzufolgen, an dem Platz, an dem sie stehen, und mit all ihren Gaben. Manche aber umwirbt er, alles zurückzulassen, um ihn auch in seiner Lebensweise radikaler nachzuahmen. Die evangelischen Räte sind somit ganz an die Person Jesu Christi gebunden und stehen als Lebensform in einem untrennbaren inneren Zusammenhang. Verwurzelt in der Vertrautheit mit Christus haben sie aber auch eine starke soziale Dimension und eine sozialkritische Botschaft: ein Leben mit anderen, ein Leben für andere und der radikale Verweis auf Transzendenz und Ewigkeit.
(Josef Maureder: Wir kommen, wohin wir schauen. Berufung leben heute, Tyrolia, Innsbruck 2004, S. 67)
Wir leben gemeinsam, um die Freiheit zu haben, so ungehindert wie möglich den Willen Christi erfüllen zu können. Diesen Willen verwirklichen wir konkret und öffentlich im Rahmen der Gemeinschaft.
(Madeleine Delbrêl: Frei für Gott. Über Laien-Gemeinschaften in der Welt, Johannes-Verlag, Freiburg ²1991, S. 69.)
Schon allein die schlichte Gemeinschaft unter einem Dach und an einem Tisch kann eine wahre Goldgrube der Liebe sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns hier nichts erleichternd zu Hilfe kommt: weder gemeinsame Gewohnheiten noch geographische Herkunft, weder Alter noch Vererbung. Für die einen bedeutet Ordnung halten die härteste Sklaverei, bei anderen führt schon die Unordnung der Wäsche dazu, dass sie nicht mehr klar denken kann. Für manche gibt es nur eine Art, Geschirr zu spülen, für andere ist es ein Sakrileg, wenn ein Teller zerbricht. Die einen wollen saubere Füße – sprich: gewachste Böden – die anderen haben gern eine Decke ohne Spinnweben, und allen kann man es sowieso nicht recht machen…
Diese Beispiele sollten nur ein Licht werfen auf den ganzen praktischen Bereich eines Gemeinschaftslebens, da sich zur Wahrung seines Gleichgewichts sowie der Freiheit des Evangeliums immerzu hüten muss vor Kleinlichkeit wie vor Anarchie.
(Madeleine Delbrêl: Frei für Gott. Über Laien-Gemeinschaften in der Welt, Johannes-Verlag, Freiburg ²1991, S. 42f.)