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„Es wäre jetzt wirklich an der Zeit, einen größeren Schritt zu wagen.“

Vor der Amazonas-Synode gab es für Frauen in der Katholischen Kirche Hoffnung auf einen besseren Zugang von Frauen zu Diensten und Ämtern. Die Hoffnung weilte kurz. Denn die Gleichstellung von Männern und Frauen lässt weiter auf sich warten. Sr. Johanna Dr.in Pobitzer, Generalsekretärin der Franziskanerinnen von Vöcklabruck, über ihre Einschätzung und Erwartungen.

Sr. Johanna, wie geht es Ihnen mit dem Ergebnis der Synode?

Meine persönlichen Erwartungen waren sicherlich größer, als es die tatsächlichen Ergebnisse letztlich gebracht haben. Wichtig erscheint mir aber, dass es überhaupt einen öffentlichen Diskurs über die Frauenordination gab, neben dem Umgang mit indigenen Völkern und der Sorge um die Natur. Eine zentrale Frage für mich ist „Wie können wir gemeinsam Kirche leben“? Dazu gehört auch die Spendung von Sakramenten durch geweihte Personen. Ich hätte mir mutigere Wege gewünscht, dies sicherzustellen.

Die Synode brachte ein Votum für verheiratete Priester in entlegenen Regionen, die Viri probati. Der Umstand, dass viel zu wenige Priester für die Gläubigen zur Verfügung stehen, trifft doch auch auf viele Gebiete in Österreich zu.

Christlicher Glaube hat viel zu tun mit Beziehung und Präsenz. Wenn Priester von Gemeinde zu Gemeinde fahren, besteht kaum die Möglichkeit, eine Beziehung zu den Gläubigen aufzubauen.  Die Menschen wollen wahrgenommen werden, jeder und jede einzelne. Daher ist es schade, wenn Seelsorge gleichsam zur „fliegenden Dienstleistung“ wird.  Wir nehmen uns so eine wichtige Dimension von Kirche. Schließlich geht es darum, miteinander in Beziehung zu treten, es geht nicht nur um Riten, sondern um eine lebendige Gemeinschaft.

Was können katholische Frauen dazu beitragen, im Besonderen die Ordensfrauen?

Wir haben den Auftrag die Gottesbeziehung mit anderen Menschen zu leben. Hinzu kommt noch die soziale Dimension:  Hinschauen, wo es Menschen gibt, die Unterstützung in schwierigen Situationen brauchen. Wachsam sein und Fürsorge und Solidarität zeigen, wo Hilfe gebraucht wird.

Wie hat sich das Ordensleben verändert?

Ich denke, dass die gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Richtung Pluralisierung auch für den Orden eine Veränderung brachte. Glaube, Christentum und Katholisch-Sein, ist eine von vielen Varianten, für die man sich bewusst entscheidet. Das trifft auf das Bild des Ordens in einem noch spezifischeren Maße zu. Trotzdem, die zentralen Anliegen wie soziale Gerechtigkeit und Achtung jedes einzelnen Menschen sind in unserer Gesellschaft wichtiger denn je. Früher war es gemütlicher, Österreich war sowieso katholisch – ich finde es heute viel anspruchsvoller diese Präsenz zu leben.

Sie sind 1990 in den Orden eingetreten. Wie haben Sie die Veränderung erlebt?

In meiner Anfangsphase kamen jedes Jahr zwei neue Ordensfrauen, wir waren eine Gruppe von zehn jüngeren Frauen und dachten, das gehe so weiter. Es wurde bald deutlich, dass diese große Gemeinschaft – wir waren damals 600 Schwestern, aktuell sind es 140 – nicht unsere Zukunft sein würde. Es kamen dann kaum Frauen dazu bzw. gingen viele wieder weg. Ich bin heute mit 50 Jahren die zweitjüngste Ordensschwester mit Profess auf Lebenszeit.

  „Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt“. – Theresa von Avila 16. Jhd. Was sagen Sie zu diesem Zitat?

Ich habe manchmal das Gefühl, solange es einfach in der bewährten, traditionellen Struktur weitergeht werden keine markanten Veränderungen zugelassen. Dass Frauen für Weiheämter zugelassen würden, wäre doch eine massive Veränderung in der Kirche.

Müsste davor noch kleine Anpassungen stattfinden, „Step by Step“?

Wir „stepen“ schon verhältnismäßig lange ;-). Es wäre jetzt wirklich an der Zeit, einen größeren Schritt zu wagen. Es wäre kurzsichtig diese Möglichkeit zu verpassen, zumal von der Kirchenleitung durch Papst Franziskus auch die Zeit günstig wäre. Es gibt die Möglichkeit des Frauendiakonats und wir möchten diese Forderung jetzt auch einmal umgesetzt sehen.

Das heißt, Sie sehen jetzt ein günstiges Zeitfenster für Veränderung?

In meiner Diplomarbeit 1994 ging es um die Fragen: „Kann der männliche Erlöser die Frauen erlösen?“ bzw. „Kann eine  Frau im geweihten Amt den männlichen Christus repräsentieren?“ Ich habe mich ein halbes Jahr eingehend damit beschäftigt und kam zu der Erkenntnis, es gibt tolle Ideen und das Argument, dass Frauen Christus  nicht repräsentieren können greift theologisch gar nicht. Umso enttäuschter war ich, als Papst Johannes Paul II genau in diesem Jahr in einem apostolischen Schreiben die Diskussion über die Frauenweihe für endgültig beendet erklärte. Jetzt spüre ich wieder Hoffnung: denn wir sehen, dass sich Dinge verändern können, Stichwort Viri probati. Es ist nicht alles in Stein gemeißelt. Neue Konzepte können entstehen. Papst Franziskus fordert uns immer wieder auf mutige Wege zu benennen. Wenn man nun Themen angreift, die bisher unveränderlich waren, ist das ein Signal, dass sich etwas bewegt und dass wir einen Weg beschreiten, auf dem es nur vorwärts gehen kann.

 

(wie)

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Sr. Johanna Dr.in Pobitzer

Foto (c) Fischbacher

Bei der am 6. Oktober gestarteten Synode über „neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ berieten 185 Mitglieder, größtenteils Bischöfe, sowie knapp 100 Ordensleute, Experten und Gäste. Das Schlussdokument hat keine bindende Kraft, dient aber dem Papst zur Meinungsbildung im Blick auf ein eigenes Schreiben, das er bis zum Jahresende in Aussicht stellte. Für jeden seiner insgesamt 120 Artikel war eine Zweidrittelmehrheit der 181 bei der Abstimmung anwesenden Synodalen notwendig, also 120 Stimmen. Die meisten Gegenstimmen erhielten die Artikel zu den verheirateten Priestern (41 Nein-Stimmen bei 128 Ja-Stimmen) und zum Frauendiakonat (30 Nein-Stimmen bei 137 Ja-Stimmen).

Kathpress

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