Fabian Moos: „Wir haben keine Alternative zu einer neuen Lebensweise!“
Er ist Jesuitenpater, Pädagoge, hat längere Zeit in Frankreich und Chile verbracht und lebt und arbeitet derzeit am Ukama-Zentrum in Nürnberg. Im Gespräch mit dem FranziskanerinnenMagazin erzählt P. Fabian Moos SJ., Autor des Buches „Der Zukunft eine Zukunft geben“, was ihn antreibt und wie er sich eine sozial-ökologische Transformation vorstellt.
Pater Fabian Moos, was war ausschlaggebend für Ihr sozial-ökologisches Interesse und Engagement?
Im Zivildienst habe ich mit behinderten Menschen zusammengelebt, und als Jesuit in Ausbildung habe ich mich für Geflüchtete eingesetzt und benachteiligten Jugendlichen Nachhilfe gegeben. Das Soziale war also schon länger präsent. Als dann 2015 Laudato Si‘ herauskam, habe ich die „Berufung in der Berufung“ entdeckt, mich für eine positive Zukunft zu engagieren. Seitdem suche ich nach Menschen und Orten, die wirklich etwas bewegen wollen. Die Grundlinien, die Papst Franziskus wichtig sind, bewegen auch mich: das Soziale und Ökologische zusammen zu denken, den spirituellen Kern des Problems und die Antwort darauf zu finden, ganzheitlichen Lösungen zu finden.
Was war ausschlaggebend dafür, dass Sie sich für ein Leben als Jesuitenpater enschlossen haben?
In Chile, wo ich während meines Lehramtsstudiums ein Auslandssemester verbracht habe, um mein Spanisch aufzupolieren, bin ich mit ignatianischer Spiritualität in Berührung gekommen. Plötzlich war die Frage da, ob ich nicht Jesuit werden will. Bei einer Wanderung mit einem Freund in einem Ausläufer der Anden bin ich schließlich knapp dem Tod entkommen – das hat mir gezeigt, dass mein Leben endlich ist und ich habe eine große Dankbarkeit und Freiheit gespürt, weil mir ein zweites Leben geschenkt wurde. So hatte ich dann den Mut, weitere Schritte zu gehen und bin schließlich 2012 in den Orden eingetreten.
Sie lebten und wirkten zwei Jahre am „Campus de la transition” südlich von Paris. Dessen Mission ist es, die Hochschulbildung für die Zukunft fit zu machen und die Führungskräfte von heute und morgen zu Akteuren eines sozial-ökologischen Wandels auszubilden. Wie kann das gelingen?
Die Idee ist, jungen Menschen die Kompetenzen mitzugeben, die sie brauchen, um unser ganzes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem demokratisch und ethisch reflektiert so umzugestalten, dass wir innerhalb planetarischer Grenzen ökologisch und sozial gerecht leben können. Egal welchen Studiengang man wählt, man soll eine Art Grundeinführung in die „Große Transformation“ bekommen und auch die eigene Berufung dabei finden, denn es kann und braucht ja nicht jeder alles tun. Das ist eine enorme Herausforderung für die Bildung.
Welche konkreten Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Sehr positive: Es ist ein junges, dynamisches Projekt, außerdem ein ökologischer Lebensort mit ca. 30 Menschen. Neben den Hochschulkursen und angewandter Forschung wird auch mit der konkreten Lebensweise experimentiert, etwa wie man mit wenig Heizung und Energie auskommen kann und wie gemeinschaftliches Leben zu einem genügsamen Lebensstil beitragen kann. Ich selbst war neben meinem Theologiestudium Freiwilliger im Pädagogik-Team und habe an der Konzeption von Kursen mitgearbeitet sowie nicht-christliche spirituelle Workshops angeboten.
Provokant gefragt: Kann uns eine ökologische und solidarische Lebensweise überhaupt noch retten?
Wir haben keine Alternative zu einer neuen Lebensweise, die das Leben schützt, anstatt es zu zerstören! Allerdings bin ich überzeugt davon, dass es nicht nur um individuelle Lebensstil-Änderungen geht. Es braucht mutige politische Entscheidungen, um einen ethisch verantwortbaren Lebensstil überhaupt möglich zu machen. Denn faktisch sind wir derzeit durch das System gezwungen, zur Zerstörung unserer eigenen Lebensgrundlagen beizutragen. Theologisch können wir da ruhig von struktureller Sünde sprechen.
Wie rasch müsste der Wandel passieren?
Die Antwort ist einfach: So schnell wie möglich! Die Dringlichkeit war noch nie so groß wie heute – denn wenn wir bestimmte systemische Kipppunkte überschreiten, sieht es für spätere Generationen und für zahlreiche Mitgeschöpfe zappenduster aus! Entscheidend ist für mich aber nicht die permanente Berechnung, bis wann was passiert, wenn nicht bis dahin das und das passiert, sondern dass wir immer wieder im Hier und Jetzt wahrnehmen, in Resonanz gehen mit dem, was uns widerfährt, und ethisch darauf reagieren. Wie der barmherzige Samariter, der sich vom Leid des Fremden ansprechen lässt und ins Handeln kommt – erst im Kleinen, dann auch im politischen Feld. Wie auch der Papst sagt, brauchen wir „Netze der Gemeinschaft“ und „politische Liebe“, um auf strukturelle Sünde zu antworten. Egal wie viel das in unseren Augen im Einzelnen bringt – denn die Liebe zu leben, „lohnt“ sich immer. Ich denke, aus christlicher Sicht gibt es nichts Schlimmeres, als angesichts von himmelschreiendem Leiden die Wahrnehmung zu verweigern und am Ende noch zynisch zu werden, weil „es eh alles nix bringt“.
Sie leben und engagieren sich derzeit am Ukama-Zentrum für sozial-ökologische Transformation in Nürnberg, das ähnliche Ziele hat wie der „Campus de la transition”, allerdings andere Mittel wählt, um sie zu erreichen. Unter anderem zivilen Widerstsand – Stichwort „Klimakleber”, wofür auch Klagen in Kauf genommen werden. Glauben Sie, dass diese Aktionen Menschen zu einer Verhaltensänderung motivieren können?
Wir sind am Ukama-Zentrum in einer sehr breiten Palette von Aktivitäten engagiert, ziviler Widerstand stellt da eine kleine Minderheit dar. Trotzdem stehe ich dahinter. Angesichts eines Systems, das unsere Lebensgrundlagen zerstört, sind beide Dinge wichtig: einerseits Widerstand gegen den Status Quo, Protestaktionen, ein dickes Nein zum Weiter-so; und andererseits die grundlegende Transformation des Bestehenden, wobei man auch Kompromisse eingehen und schrittweise den Möglichkeitsraum erweitern muss.
Man kann dahinter die prophetische und die königliche Taufgnade sehen, die wir in der Taufe erhalten haben. Beides sollen wir im christlichen Leben entfalten. Das Prophetische ist etwas, womit wir uns oft schwertun, aber es ist auch nötig, im Sinne eines Protests gegenüber den Mächtigen, um das Böse anzuprangern und das Gute einzufordern.
Kann es denn überhaupt gelingen, Menschen zu radikalen Veränderungen zu bewegen?
Es geht nicht einfach nur darum, die Leute zu einem ökologischen Lebensstil zu überreden. Viele tun da schon einiges. Was wir brauchen, sind politische Prozesse, in denen wieder stärker die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger gehört werden und nicht einfach Konzernlobbys mit der Spitzenpolitik ihre Gesetze aushandeln. Übrigens gibt es dann auch noch die priesterliche Taufgnade, und die hat für mich mit einer radikal kontemplativen Haltung zu tun: Gottes Wirken sehen und feiern, in anderen, in einem selbst und in einer zunehmend komplexen Welt. Das wird immer wichtiger, je mehr wir von Krise zu Krise schlittern werden.
Es geht um ein tiefes Umdenken, eine Metanoia, und das ist tatsächlich ein spiritueller Prozess, der aber nicht einfach von Individuen abhängt. Große und positive Veränderungen passieren gerade dann, wenn eine Krise genutzt wird, um in eine bewusste, ethisch ausgerichtete Gestaltung zu gehen. Ich glaube, dass wir am Ende möglichst viel positive Gestaltungsenergie brauchen und uns nicht nur von den Katastrophen treiben lassen dürfen. Paradoxerweise kommt diese Energie aber erst, wenn wir bereit sind, einiges vom Alten und damit auch die Kontrolle über den Prozess aufzugeben. Wenn das Weizenkorn nicht stirbt…[i]
Sind Sie ein zuversichtlicher Mensch? Wenn ja, wie schaffen Sie das, angesichts der akuten Krisen, mit denen Sie sich ja intensiv auseinandersetzen?
Ich halte es wie unser Ordensgründer Ignatius von Loyola, für den Hoffnung letztlich eine Erscheinungsform geistlichen Trosts ist. In modernes Deutsch übersetzt meine ich damit, dass wir Gott immer im Hier und Jetzt begegnen und dass er uns zu jedem Zeitpunkt neue Möglichkeiten schenkt, sofern wir wirklich in die Wahrnehmung der Wirklichkeit gehen. Das meine ich mit einer radikal kontemplativen Haltung. Hoffnung entsteht dann quasi im gemeinsamen Tun des Guten, also wenn ich aus meinem Schneckenhäuschen heraustrete und mit anderen zusammen eine bewusste Antwort auf das gebe, was ich wahrnehme. Wenn ich dabei immer dem Trost nachgehe, also dem, was Glaube, Hoffnung und Liebe in mir und anderen stärkt. Optimist bin ich nicht, aber zuversichtlich schon, ja. Denn ich habe einfach schon zu oft erlebt, dass mir Gott im Hier und Jetzt entgegenkam und plötzlich völlig neue Möglichkeiten im Raum waren. Und mich tröstet die Zusage, dass der Sinn des Lebens in einem liebevollen Dasein liegt, letztlich unabhängig von sichtbaren Erfolgen. Ich muss die Welt nicht retten. Gott ist dabei sie zu retten – und wenn ich genau hinschaue, kann ich sein Handeln sehen und mich einklinken. Mehr kann ich nicht tun und das reicht.
[i] Johannes 12,24-28: Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.
Pater Fabian Moos SJ, geb. 1985 in Buchen im Odenwald (D), studierte nach dem Zivildienst in Französisch und Spanisch in Erlangen, Frankreich und Chile und engagierte sich in der Katholischen Hochschulgemeinde Erlangen. Er trat 2012 ins Noviziat ein. Nach dem Philosophiestudium machte er sein Lehramtsreferendariat in Spanisch und Französisch in Hamburg. Von 2019 bis 2023 war er in Paris zum Theologiestudium, davon die letzten zwei Jahre als Bewohner und Mitarbeiter des alternativen Hochschulcampus „Campus de la transition” südlich von Paris. Heute lebt und arbeitet er am Ukama-Zentrum für sozial-ökologische Transformation in Nürnberg. Sein Interesse gilt der Verbindung von Transformation, Pädagogik und Spiritualität.
Buchtipp:
Der Zukunft eine Zukunft geben
Klima-Experten sind sich einig: Die Menschheit steht an einem Scheideweg. Entweder es gelingt in den nächsten Jahren eine grundlegende Transformation unserer Weise, den Planeten Erde zu bewohnen, oder wir steuern auf eine humanitäre Katastrophe zu. Wie können sich Christinnen und Christen aus ihrem Glauben heraus für eine solche Transformation einsetzen? Ausgehend von der ignatianischen Tradition lädt der Jesuitenpater Fabian Moos SJ zu Haltungen und Handlungsansätzen ein, die zu einer engagierten Hoffnung motivieren. Moos widmet sich sechs Aspekten der Spiritualität – Schöpfung, Umkehr, Unterscheidung, Engagement, Hingabe und Hoffnung. Ein Kapitel widmet er dem Wandel hin zu einer besseren Welt, der bereits im Gange ist. Am Ende jedes Kapitels regt der Autor mit Fragen und Übungen zum Weiterdenken und zur Refle xion des eigenen Handelns an.
Der Zukunft eine Zukunft geben – Eine Spiritualität der sozialökologischen Umkehr. – Reihe „Ignatianische Impulse“, hrsg. von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Stefan Hofmann SJ, Band 91. 1. Auflage 2021.
ISBN 978-3-429-05650-6