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Konvent Portiuncula: Wo sechs Schwestern aus drei Nationen zusammenleben

Sr. Elisabeth aus Mexiko, Sr. Winfred aus Kenia und vier Ordensschwestern aus Österreich leben gemeinsam im Konvent Portiuncula im Mutterhaus. Was eint die Schwesterngemeinschaft – und wie prägt die unterschiedliche Herkunft das Zusammenleben? Ein Lokalaugenschein.

 

„Portiuncula“ heißt auf Lateinisch „ein kleiner Flecken Land“. So wird im Volksmund die kleine Kapelle bei Assisi genannt, in der die Franziskanischen Orden ihren Ursprung nahmen. Über der Kapelle wurde später die Basilika Santa Maria degli Angeli gebaut. Wie die Kapelle in der Basilika, ist der Konvent „Portiuncula“ eine kleine Einheit im großen Mutterhaus der Franziskanerinnen von Vöcklabruck – allerdings mit dem Unterschied, dass das Mutterhaus schon viel länger besteht als dieser Konvent, der erst im Juni 2022 gegründet worden ist.

 

Warum ein neuer Konvent direkt im Gebäude des großen Mutterhauskonvents? „Alle Schwestern, die hier wohnen, sind berufstätig und haben einen deutlich anderen Tagesablauf als die durchwegs älteren Schwestern im Mutterhauskonvent“, erklärt Sr. Julia. Die Biotechnologin und Pastoralassistentin arbeitet derzeit in der Apotheke im Krankenhaus Vöcklabruck. Bevor sie im Sommer 2023 in den Konvent Portiuncula einzog, hat sie einige Monate als Gast hier verbracht. „Bei uns ist die Organisation etwas anders, als man das von anderen Konventen kennt: Es gibt keine Konvent-Verantwortliche, sondern wir teilen uns die Aufgaben und die Verantwortung: Kochen, Einkaufen, Haushalt … Die Rolle der Ansprechperson übernimmt jedes Jahr eine andere Schwester.“ Seit September hat Sr. Ida diese Funktion inne – sie ist verantwortlich für den Informationsfluss nach innen und außen. Ebenso wie bei allen wichtigen Entscheidungen beschließen die Schwestern gemeinsam, wer diese Aufgabe übernimmt.

Herausforderung Sprache

Neu für die Ordensfrauen, die im Konvent Portiuncula leben, sind nicht nur die Organisationsform und die Entscheidungsprozesse. Auch die Tatsache, dass Schwestern aus mehreren Kulturen zusammenleben, ist ungewohnt und bringt die eine oder andere Herausforderung mit sich. „Die größte Herausforderung ist die Sprache“, meint Sr. Winfred. Die Kenianerin lebte vorher sieben Jahre in der amerikanischen Provinz der Franziskanerinnen von Vöcklabruck und hat im Mittleren Westen der USA (Savannah, Missouri) die Ausbildung zur Kindergärtnerin gemacht. Erst im Dezember 2022 ist sie nach Vöcklabruck übersiedelt. Sie besucht einen Deutschkurs, aber vor allem, wenn Dialekt gesprochen wird, tut sie sich mit dem Verstehen bisweilen noch schwer. Im Konvent weichen die Schwestern deshalb oft auf Englisch aus, was wiederum für Sr. Martha problematisch ist, denn sie spricht nicht Englisch und ist dann auf die Übersetzung ihrer Mitschwestern angewiesen.

 

„Wir haben keine gemeinsame Sprache, die wir alle gut genug sprechen, um uns wirklich unterhalten zu können“, bringt es Sr. Ida auf den Punkt. „Die Sprache steht schon sehr im Vordergrund. Eine Sprache nicht so gut zu sprechen, macht die Verständigung einfach schwierig“, ergänzt Sr. Johanna. „Ich habe zehn Jahre in Kasachstan verbracht. In der ersten Zeit, als ich noch nicht gut Russisch sprach, habe ich das mitunter als große Armut erlebt, als Armut, keinen direkten Austausch mit Menschen zustande zu bringen. Meine Sprachkenntnisse reichten, um zu überleben, aber ich hatte das Gefühl, meine Persönlichkeit nicht so ausdrücken zu können, wie ich das möchte.“

 

Familiäres Miteinander-Wohnen

Im Gegensatz zu großen Konventen läuft das Zusammenleben hier ähnlich wie in einer Familie ab. Es gibt weniger Regeln, dadurch aber mehr Diskussionsbedarf: „Anfangs war es gar nicht so leicht, wieder in diese Form des Zusammenlebens hineinzufinden“, sagt Sr. Johanna. „Auch beim Thema Ordnung haben wir unterschiedliche Bedürfnisse. Und Kulturgrenzen sind ja nicht nur Ländergrenzen. Es gibt noch viele andere Unterschiede: Wie gestalte ich etwas, wie habe ich es gern in meiner Umgebung – bin ich jemand, der Deko liebt, oder habe ich es lieber klar und strukturiert … da nehme ich viele Unterschiede bei uns im Konvent wahr.“

Rosca de Reyes

Bereicherung

Zusammen leben und die Kultur der anderen zu erfahren, sei eine Bereicherung, sind sich die Schwestern einig: Zum Beispiel kommen verschiedene Speisen auf den Tisch: Von mexikanischen Tacos über kenianische Chapati bis hin zum Paprikaschnitzel … es kommt darauf an, wer gerade kocht. Als Bereicherung sehen die Schwestern auch die verschiedenen Traditionen und Bräuche, wie etwa die mexikanische Art und Weise das Fest der heiligen drei Könige zu feiern. „Ich habe erzählt, wie wir dieses Fest in Mexiko feiern und eine „Rosca de Reyes“ (Dreikönigs-Kuchen) gebacken und mit meinen Mitschwestern geteilt“, erzählt Sr. Elisabeth. „Die Offenheit der anderen, diese Möglichkeit, das hier einzubringen, betrachte ich als großes Geschenk.“

 

In den USA hat Sr. Winfred mit zwei US-Amerikanerinnen zusammengelebt. „Ich habe ihnen von Afrika erzählt, von den Kulturen. Und ich habe für meine Mitschwestern afrikanisches Essen gekocht – es hat ihnen geschmeckt“, erzählt sie. Manchmal vermisse sie die USA, wo sie so lange gelebt hat, aber „… ich lerne und ich werde mich auch an Österreich gewöhnen!“

 

Wie sieht es mit tiefergehenden kulturellen Unterschieden aus – etwa der Bedeutung des Individuums und der Gemeinschaft?

 

„In Mexiko hat die Gemeinschaft mehr Bedeutung … zumindest war das so, als ich noch dort lebte“, sagt Sr. Elisabeth. „Die Familie hat immer noch eine wichtige Rolle in der Gesellschaft inne: Sie kommt fast jedes Wochenende zusammen, feiert gemeinsam Feste … Ich bin schon seit meinem 18. Lebensjahr unterwegs in der Welt und habe mehrere Kulturen kennengelernt. Als ich nach Österreich kam, ist mir schon aufgefallen, dass es hier anders ist, dass die Gemeinschaft einen anderen Stellenwert hat.“

 

„In Kenia gehen wir zu Weihnachten alle in die Mitternachtsmette“, erzählt Sr. Winfred. „Da sind alle! Morgens um 10:00 Uhr haben wir auch eine Messe, wo die Familie zusammenkommt, oft von weit her. Weihnachten ist in Kenia ein Fest der Familie. Aber auch bei uns ändert sich das, weil die Jungen oft in Städte ziehen, um zu arbeiten.“

 

„Wir hatten im ersten Jahr in unserem Konvent keine Traditionen, deshalb haben wir Weihnachten sowieso erfinden müssen“, erklärt Sr. Ida. „Da gab es Elemente, die für einzelne Schwestern wichtig waren, die haben wir dann in unser gemeinsames Weihnachtsfest aufgenommen. Da geht es nicht nur um die Traditionen anderer Nationalitäten, sondern auch zum Beispiel um verschiedene Generationen: Sr. Johanna bringt eine andere Kultur mit als ich, weil ich um gut 20 Jahre jünger bin. Wir haben uns einfach bemüht, alles unterzubringen, was uns wichtig ist. Wir haben das Glück, dass wir vieles einfach selbst gestalten können und dass wir uns unsere eigene Tradition aufbauen können.“

 

Auch was den Umgang mit Autorität betrifft, nehme sie Unterschiede zwischen den Kulturen wahr, sagt Sr. Johanna: „Es ist oft schwierig für meine Mitschwestern aus Kenia und Nigeria  –  derzeit gibt es vier im Orden – , mir auf Augenhöhe zu begegnen. Das liegt an meiner Funktion als Generalsekretärin und Generalökonomin. Für mich und für die österreichischen Schwestern stellt meine Funktion kein Hindernis für eine Begegnung auf Augenhöhe dar.“

Ist man sich seiner eigenen Kultur mehr bewusst, wenn man mit Menschen aus einer anderen Kultur zusammenlebt?

 

„Die Kultur der anderen zu verstehen, die Traditionen zu verstehen, ist auch manchmal eine Herausforderung“, sagt Sr. Ida. „Mit meinen vielen Erfahrungen mit anderen Kulturen kann ich nicht einfach nach Mexiko zurück und so tun, als wäre nichts gewesen“, betont Sr. Elisabeth: „Alle meine Erfahrungen haben mich geprägt. Ich bin jetzt nicht mehr ausschließlich Mexikanerin: ich habe Elemente aus Österreich, aus US-Amerika, wo ich auch längere Zeit gelebt habe, aus verschiedenen Gegenden in Mexiko… – ich bin sehr dankbar für alle diese Erfahrungen. Sie haben mich toleranter und offener gemacht.“

 

Sr. Ida hat als Leiterin des Quartiers 16 sehr viel mit Frauen verschiedener Herkunft zu tun. „Die erste Frage, die die Bewohnerinnen stellen, wenn es um die Aufnahme einer neuen Klientin geht, ist: Aus welchem Land kommt sie? Sie wollen die ‚Neue‘ einordnen können. Das gibt ihnen Sicherheit. Für uns Sozialpädagoginnen ist die Nationalität kein Kriterium, aber wir achten schon darauf, dass die Frauen von ihrer Persönlichkeit her zusammenpassen.“

 

Fazit: Kulturelle Unterschiede sind mehr als unterschiedliches Essen und unterschiedliche Traditionen. Eine große Herausforderung für ein gutes Verständnis der Anderen ist die Sprache. Die Herkunft prägt Menschen – Erfahrungen aber auch. Vor allem wenn Menschen eng zusammenleben, werden neben kulturellen Unterschieden auch persönliche Prägungen spürbar und können eine Herausforderung darstellen. Und was die Schwestern im Konvent Portiuncula betrifft: Mitten in der Unterschiedlichkeit ihrer Herkunft und Kultur eint sie ihr gemeinsamer Glaube und die Freude, Franziskanerin von Vöcklabruck zu sein.

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Konvent Portiuncula

27 Jahre, drei Kontinente, drei Muttersprachen – und auch sonst gibt es einiges, was die sechs Schwestern im Konvent Portiuncula (hier mit Generaloberin Sr. Angelika) unterscheidet. Und das Zusammenleben umso spannender macht.

Sr. Elisabeth Pérez Gutiérrez (56) lebt seit der Gründung im Konvent Portiuncula. Die ausgebildete Grundschullehrerin hat im Herbst 2023 die Leitung des Geistlichen Zentrums der Franziskanerinnen von Vöcklabruck übernommen.

Sr. Ida Vorel (30) ist in Salzburg aufgewachsen. Die gelernte Gärtnerin hat eine Ausbildung zur Diplomierten Sozialpädagogin und Psychosozialen Beraterin absolviert und leitet das Quartier 16 – Wohnung, Begleitung, Orientierung für Frauen. Sie lebt seit der Gründung im Konvent Portiuncula.

Sr. Johanna Pobitzer (54) kommt aus dem Innviertel und hat Latein und Theologie studiert. Von 2002 bis 2012 lebte sie in Tonkoschurowka in Kasachstan und arbeitete in der Schule St. Lorenz als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, Englisch und Ethik. 2012 übernahm sie die Funktion der Generalsekretärin in der Leitung der Franziskanerinnen von Vöcklabruck, absolvierte eine Ausbildung in Sozialmanagement und arbeitet seit 2018 auch als Generalökonomin der Gemeinschaft. Sie lebt seit der Gründung im Konvent Portiuncula.

Sr. Julia Gold (40) ist aus Niederösterreich. Sie ist ausgebildete Biotechnologin und Pastoralassistentin und arbeitet derzeit in der Krankenhausapotheke im Krankenhaus Vöcklabruck. Daneben leitet sie das Team Berufungspersonal. Sie lebt seit Sommer 2023 im Konvent Portiuncula.

Sr. Martha Huber (57), die aus dem Salzburgischen (Michaelbeuern) stammt, arbeitet in der Wäscherei im Alten- und Pflegeheim der FraDomo GmbH in Vöcklabruck. Daneben hilft sie auch im Klostergarten mit. Sie lebt schon seit der Gründung im Juni 2022 im Konvent Portiuncula.

Sr. Winfred Kilatya (36) lebte seit 2015 in der amerikanischen Provinz der Franziskanerinnen von Vöcklabruck, wo sie die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin absolvierte. Derzeit besucht sie Deutschkurse und unterstützt die Schwestern im Nähzimmer des Mutterhauses. Die gebürtige Kenianerin hat vor, auch in Österreich als Kindergartenpädagogin zu arbeiten. Seit Dezember 2022 ist sie in Vöcklabruck, seit August 2023 lebt sie im Konvent Portiuncula.

Mit mehr als 900 Ordensfrauen hatten die Franziskanerinnen von Vöcklabruck Mitte des 20. Jahrhunderts ihre größte Präsenz. Der Ordensnachwuchs ist stark rückläufig – derzeit zählt der Orden 120 Ordensfrauen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur die Franziskanerinnen von Vöcklabruck – auch andere Orden in Europa müssen sich aufgrund der Altersstruktur umstrukturieren und neu orientieren. Das Interesse von jungen Frauen z.B. aus Afrika, in einen Orden einzutreten, ist hingegen groß. Wie der Orden mit den Herausforderungen umgeht, die das Zusammenleben von Ordensschwestern aus verschiedenen Kulturen mit sich bringt, ist derzeit ein großes Thema. Andere Herausforderungen betreffen die Altersstruktur: Es besteht mehr Bedarf an Pflege und Betreuung im Alter, weniger Schwestern stehen im Arbeitsleben. Auch hier gilt es, neue Wege zu finden, wie zum Beispiel den Konvent Portiuncula speziell für Schwestern, die voll im Berufsleben stehen.

Konvent:

Niederlassung einer Ordensgemeinschaft, die aus weiblichen oder männlichen Ordensleuten besteht. Sowohl die Gesamtheit der Angehörigen einer solchen Gemeinschaft als auch die Gebäude, in denen die Gemeinschaft lebt, können Konvent genannt werden. Der größte Konvent der Franziskanerinnen von Vöcklabruck befindet sich im Mutterhaus, wo auch die Ordenszentrale angesiedelt ist. Daneben leben Schwestern im Konvent Portiuncula, im Ausbildungshaus St. Elisabeth und in kleinen Konventen in Pfarren, Alten- und Pflegeheimen, an Standorten für Bildung und Erziehung und in den Krankenhäusern Braunau und Grieskirchen.

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