Rollwandertag: eine Brücke zwischen Generationen
Schon seit vielen Jahren ist er ein fixer Bestandteil der lebenspraktischen Erfahrungen für SchülerInnen des Oberstufenrealgymnasium in Vöcklabruck: der Rollwandertag mit BewohnerInnen des Alten- und Pflegeheims St. Klara. Jugendliche der 6. und 7. Klassen stellen sich für einen Nachmittag im Frühsommer zur Verfügung, um alten Menschen einen Ausflug im Rollstuhl zu ermöglichen.
Zunächst ist ein wenig Scheu und Abwarten spürbar: Wer wird mir zugeteilt werden? Wie werden sich die alten Menschen verhalten? Können wir überhaupt miteinander in Kontakt kommen? Was reden wir denn miteinander? Wie schiebt man überhaupt einen Rollstuhl? Hoffentlich mache ich nichts falsch…!
Mitfühlen
Doch die Ungewissheit löst sich rasch: Schon beim ersten Aufeinandertreffen merken die Jugendlichen, dass alte, vielfach pflegebedürftige Menschen noch ganz wach und weltoffen sein können, interessiert auch am Leben der Jungen von heute, auch wenn es nicht ihr Leben ist. Und sie beginnen zu erzählen, wie das früher war mit dem Jungsein, wie wenig sie oft hatten und doch die gleichen oder ähnlichen Erfahrungen mit dem Erwachsenwerden. Es ist erstaunlich, wie detailliert ihnen die Vergangenheit oft noch in Erinnerung ist, wie stark auch heute noch ihre Gefühle mit wichtigen, oft entscheidenden Lebensereignissen verbunden sind. Da kann es schon vorkommen, dass beim Erzählen über den Verlust von geliebten Menschen oder beim Gedanken an die Enkel- und Urenkelkinder, die so selten zu Besuch kommen, die Augen feucht werden und für die SchülerInnen unmittelbar spürbar wird, welch große Bedeutung die Familie für das Leben eines Menschen bis ins hohe Alter hat.
Verstehen
Und umgekehrt erleben die alten Menschen beim Rollwandertag auch Überraschendes: Dass Jugendliche gar nicht so sind, wie sie meist weniger aus eigener Erfahrung als durch Tratsch und Klatsch vermittelt bekommen: frech, ignorant und ohne Anstand. Da werden sie von jungen Menschen gefahren, die vielleicht am Anfang ein wenig scheu, aber immer höflich und hilfsbereit sind, die Interesse zeigen an den oft durchaus auch eigenwilligen alten Menschen, geduldig zuhören und auch mit Witz und Humor aufwarten können. Sie spüren, dass die Bedürfnisse der jungen Menschen gar nicht so viel anders sind als die ihren in der eigenen Jugendzeit: gesehen und anerkannt zu werden, in der Gesellschaft einen Platz zu finden, seine ganz persönlichen Talente entfalten zu können und an Lebenserfahrungen – auch mit Fehlern – wachsen zu können. Da kann es schon vorkommen, dass alte Menschen auch Trauer verspüren, weil sie in ihrer Jugend soviel Einengung und Zwang erlebt haben und sie gerne noch einmal in dem jugendlichen Alter wären wie ihre jungen Chauffeure….
Der Rollwandertag endet nach der gemütlichen Fahrt traditionell bei Kuchen und Kaffee, mit Plauderei und scherz- und herzhaftem Lachen. Für die alten Menschen ist es nicht selten ein Höhepunkt in einem an Erlebnissen nicht mehr so reichen Alltag und für die jungen eine Erfahrung, die sie, wie sie immer wieder bestätigen, nicht missen möchten. Und manchmal entstehen daraus sogar Freundschaften, die länger halten….
Von Mag. Johann Gebetsberger, Direktor des ORG Vöcklabruck
Foto (c) privat
Mehr zum Themenschwerpunkt „Generationen“ lesen Sie im aktuellen