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Was meinem Leben Sinn und Richtung gibt – #8: Melanie Hofinger

Als Kind wollte sie die ersten Bundespräsidentin Österreichs werden, nun ist die 27jährige Linzerin Melanie Hofinger Unternehmerin und eröffnet im Herbst bereits Buchhandlung Nummer 4 und Nummer 5. Dabei stand die Karriere niemals ganz oben auf ihrer Prioritätenliste.

Was beschäftigt dich gerade?

Momentan die Coronakrise.  Uns in der Firma hat das sehr hart getroffen, denn der Mann einer Mitarbeiterin ist mit 55 Jahren daran verstorben. Corona hat mich zum Nachdenken gebracht: Was will uns Gott damit sagen? Wir sind in einem Hamsterrad, die Nächstenliebe hat keinen Platz mehr … Es hätte nicht mehr lange so weitergehen können. Und es ist ja noch lange nicht vorbei … Jetzt sind wir alle gefordert, uns selbst zu fragen: Wo will ich denn überhaupt hin? Ist Reichtum alles? Will ich das? Brauche ich das? Was brauche ich grundsätzlich zum Leben? Ich habe festgestellt, dass für mich meine Familie und die Fürsorge für meine Mitarbeitern extreme Priorität haben.

Du hast vor gut zwei Jahren mit 25 Jahren die Veritas-Buchhandlung in Linz gekauft – wie kam es dazu?

Ich habe dort als Verkaufsleiterin gearbeitet und war gerade mit einer Freundin auf Urlaub in Ostasien, als mich der Standortleiter anrief: Die Buchhandlung sperrt zu. Nachsatz: Du kannst sie gerne kaufen. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Am nächsten Tag bin ich aufgewacht und war total motiviert, dachte: Jetzt recherchiere ich, ob ein Kauf überhaupt möglich wäre. So habe ich die sechs Stunden im Flugzeug nach Hongkong genutzt. Bei der Ankunft sagte ich zu meiner Freundin: Okay, ich kaufe die Buchhandlung! Dann habe ich meinen Vater angerufen. Ich komme aus einer einfachen Familie: Meine Großeltern hatten einen kleinen Bauernhof, mein Vater ist Lokführer, meine Mutter hat als Küchenhilfe gearbeitet … Die Antwort meines Vaters am Telefon hat mich total verblüfft: Ich dachte, er wird mir Mut zusprechen, sagen: ‚Mach dir keine Sorgen, du wirst schon wieder einen Job finden …‘ – Nichts davon. Er fragte mich: ‚Was kostet sie denn?‘

War der Kauf eine reale Option?

Wir hatten kein Familienerbe und mein Erspartes hatte ich gerade im Urlaub ausgegeben … Aber ich hatte einen tollen Bankberater, der an mich glaubte. Mit einer befreundeten Rechtsanwältin und ihrem Lebensgefährten habe ich das durchgearbeitet. Durch Freunde habe ich damals auch meinen jetzigen Lebensgefährten kennengelernt. Der konnte mir zwar mit dem Business-Plan auch nicht weiterhelfen, hat mich aber zum Wandern eingeladen, weil er meinte, ich könne Abwechslung gebrauchen. Es hat sofort gefunkt zwischen uns, die Zeit war aber auch schwierig: Wir kannten uns ja kaum, und ich hatte eine extrem herausfordernde Zeit, war mitten im Kaufprozess. Bis es zum Kauf kam, gab es noch viele Höhen und Tiefen – ohne die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde, insbesondere von Susanne, meiner Rechtsanwältin und Freundin, hätte ich das nicht geschafft.

Auch jetzt unterstützt dich deine Familie…

Mein Bruder arbeitet in der Filiale in der Solar City, meine Schwester fabriziert Kerzen, meine Mutter kümmert sich um das Rundherum und mein Vater hat seit Februar die Prokura – da wir mittlerweile drei Geschäfte haben, haben wir eine Holding gegründet. Alle helfen mit! Papa verbringt seinen heurigen Sommerurlaub zum Beispiel damit, die Schulbücher zu schlichten. Und gemeinsam werden wir die Filiale in Mauthausen einrichten, die im September eröffnet wird.

Neben Mauthausen eröffnest du im September auch eine Buchhandlung beim Stift Lambach. Und voriges Jahr hast du die Buchhandlung Neugebauer am Taubenmarkt in Linz übernommen und die Filiale in der Solar City eröffnet. Das nenne ich schnelles Wachstum …

Das hat sich so ergeben. Ich schlafe immer noch gut … (lächelt). Ich habe sehr viel Rückhalt und Unterstützung von der Familie und von engen Freunden. Und ich werde gut beraten.

Hattest du immer schon den Wunsch, Unternehmerin zu werden?

Nein, überhaupt nicht. Ich konnte mir vorstellen, in einer Führungsebene etwas zu bewegen. Zum Beispiel bei IKEA, wo ich vorher als Commercial Manager für das Restaurant, das Bistro und den Schweden-Shop verantwortlich war. Ich wollte immer etwas Gutes tun…

Was war dein Berufswunsch als Kind?

(Lacht) … ich wollte die erste Bundespräsidentin von Österreich werden! Mir geht es nicht um eine Position, sondern darum, etwas zu bewegen. Wir leben das auch im Betrieb so, wo wir eine sehr flache Hierarchie haben. Erfolgreich sein und die Mitarbeiterinnen, die Mitarbeiter zu schätzen, ihnen etwas zurückzugeben … das funktioniert auch im Handel! Mein Vater ist übrigens Gewerkschafter. Ich – und auch er – sehen jetzt die andere Seite. Das im Einklang zu halten ist eine Kunst!

Du hast auch Jus studiert…

Drei Semester. Bei der ersten Prüfung ist rausgekommen, dass eigentlich alle recht haben, je nachdem, welches Gesetz zur Anwendung kommt. Ich dachte mir: Was ist Recht und was Gerechtigkeit – wo hört das eine auf, wo fängt das andere an? Das kann ich nicht weitermachen mit gutem Gewissen. Als ich bei IKEA nach kurzer Zeit das Angebot erhielt, in Vollzeit eine interessante Tätigkeit zu übernehmen, habe ich zugesagt. Die juristischen Grundkenntnisse kommen mir aber auch jetzt noch zugute.

Woran glaubst du?

Ich bin überzeugt davon, dass alles im Leben einen Sinn hat. Meine Familie ist sehr groß, da kommt es naturgemäß auch immer wieder zu Schicksalsschlägen. Ich denke mir immer: Es ist passiert, weil es im Nachhinein gesehen einen Sinn ergibt …

Vor einiger Zeit ist dir sprichwörtlich die Decke auf den Kopf gefallen … wo war da der tiefere Sinn?

Vorher ist einiges passiert: Meine Beziehung mit dem Mann, von dem ich dachte, ich werde mein Leben mit ihm verbringen, ist auseinandergegangen. Ich hatte eine Kieferoperation, meine Mutter hat sich an der Wirbelsäule verletzt … Jede Woche ist irgendetwas passiert! Und schließlich ist die Decke in meinem Badezimmer eingebrochen, als ich darunter stand. Ich dachte: So, das war’s. Ab jetzt geht alles in die richtige Richtung. Seither ist auch nichts Schlimmes mehr passiert, außer die Nachricht, dass Veritas zusperrt, ein halbes Jahr später, … aber das ist schließlich gut ausgegangen.

 

(sam)

„Wir alle sind gefordert, uns selbst zu fragen: Wo will ich denn überhaupt hin? Ist Reichtum alles? Will ich das? Brauche ich das? Was brauche ich grundsätzlich zum Leben?“

Melanie Hofinger

In unserer Serie „Was meinem Leben Sinn und Richtung gibt“ kommen Frauen zu Wort, die sich Gedanken über den größeren Kontext ihres Lebens machen.

Was gibt DEINEM Leben Sinn und Richtung? Was beschäftigt Dich? Schreib uns doch gerne eine Mail oder einen Kommentar dazu!

1 Comment

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Janareply
11. August 2020 at 23:44

Tolle Reihe, sehr inspirierend, gerne mehr.

Viele Grüße aus Trier/Deutschland!

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