Macht Glaube resilient?
Sr. Angelika Garstenauer
Oft hören und lesen wir in dieser bewegten und herausfordernden Zeit der Pandemie Gedanken über Resilienz und fragen uns, ob und wie uns unser Glaube in diesen Situationen des Lebens stärken und helfen kann. Wie gehen wir als Ordensfrauen mit solchen Situationen um?
Anne Frank schreibt in ihrem Tagebuch: „Dazu kommt, dass ich viel Lebensmut habe, ich fühle mich stark und imstande, viel auszuhalten. Ich glaube nicht, dass ich mich schnell unter den Schlägen beuge, die ich aushalten muss.“
Das ist seelische Widerstandskraft, Resilienz. Resilienz wird definiert als die Fähigkeit, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen.
Ressourcen dazu sind für mich, unter anderen, Glaube, Hoffnung, Liebe, das Übernehmen von Verantwortung für mein und unser Leben, Akzeptanz, Zielorientierung, Zuversicht und auch das Verlassen der Opferrolle.
Glaube und Vertrauen sind Kraftquellen, die Mut machen, inneren Halt und Hoffnung schenken. So können wir Krisen besser bewältigen. Glaube in Gemeinschaft gelebt gibt noch mehr Unterstützung und stärkt unsere Widerstandskraft. Austausch, Gespräche, gemeinsame Meditationszeiten und Gebete verbinden, stimmen uns in Einklang mit Gott und den Menschen.
Glaube kann aber auch schwächen: Dort, wo versucht wird, einzureden, dass der Glaube schwach sei, wenn Gebete nicht erhört werden. In diesen Situationen ist es entscheidend, dass wir uns fragen, welches Gottesbild unser Leben trägt, welche Denkmuster wir haben und wer oder was unser Leben bestimmt.
Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, so steht es in der Bibel.
Gerade während der Pandemie ist es für uns als Gemeinschaft von großer Bedeutung, dass wir Halt finden in Gott, dass wir an ihn glauben, aber auch einander Vertrauen schenken.
Ich glaube an die Menschen, mit denen ich das Leben teile: Meine Mitschwestern und MitarbeiterInnen. Das ist Ausdruck eines tiefen Vertrauens in die Menschen. Glaube, der stärkt, weil er einer Stärke vertraut, die da ist.
Resilienz ist kein Medikament, keine Tablette, die geschluckt wird, kein Kleid, das ich mir überziehe. Sie entwickelt sich.
Ehrlichkeit, Liebe, Dankbarkeit, Hoffnung, Demut, Zeit haben, Entschleunigung, Geduld sind uns hilfreich auf dem Weg der Weiterentwicklung. Wenn wir die kleinen Dinge des Lebens bewusst und dankbar wahrnehmen, achtsam sind und nichts als selbstverständlich ansehen, können wir Krisen leichter ertragen, durchhalten, aushalten und aus dieser Zeit gestärkt, verändert und mit einem neuen Blick die Wirklichkeit des Lebens hervorgehen.
Was werden wir aus dieser Zeit der Pandemie für unser Leben mitnehmen? Wie verändert sie unsere Gewohnheiten und Haltungen? Zu erkennen, was für unserer Leben, für unsere Arbeit und für unsere Gesellschaft wirklich zählt – vielleicht kann das eine Lehre aus dieser Zeit sein.
Ich hoffe, dass es uns gelingt, auch die positiven Seiten dieser Zeit zu erkennen und mutig, gestärkt und reich an Erfahrungen in die Zukunft gehen.
Ich wünsche Ihnen viele Momente der Freude, der Dankbarkeit, des Lächelns, der Zuversicht und der Hoffnung.
Gesundheit und Gottes Segen!
Sr. Angelika Garstenauer
Generaloberin Sr. Angelika Garstenauer
Mehr zum Thema „Krise – und dann?“ lesen Sie hier:
1 Comment
Join the discussion and tell us your opinion.
Vielen Dank für diesen realen Beitrag, lb. Schwester Angelika, der meines Erachtens so oft als möglich geteilt werden sollte, in der Hoffnung, dass viele Mitmenschen aus der „Krise lernen“ und etwas mitnehmen.